»GaN kann im Weltraum völlig neue Möglichkeiten bieten.«

Im Gespräch mit Andrew Barnes, leitender Technikingenieur bei der ESA

Andrew Barnes ist leitender Technikingenieur bei der ESA und betreute die Initiative »GaN Reliability Enhancement and Technology Transfer Initiative« (»GREAT2«), die gemeinsam mit der Forschung und der Industrie eine weltraumtaugliche Lieferkette für GaN-Technologien entwickelte und 2013 das erste europäische GaN-basierte Bauteil im Mini-Satelliten Proba-V ins All schickte. Im Interview erzählt er, wie es dazu kam.

Wann kam die Idee auf, Galliumnitrid für Weltraumanwendungen zu nutzen?

Bereits in den frühen 1980er Jahren arbeitete die ESA mit der europäischen Industrie und der Wissenschaft zusammen, um Grundlagenforschung zu Galliumnitrid zu betreiben und dessen Leistungsfähigkeit für Weltraumanwendungen zu prüfen. Denn als Halbleiter mit breiter Bandlücke besitzt GaN eine hohe Robustheit gegenüber der Strahlungsumgebung im Weltraum und ermöglicht die Entwicklung von kompakten Bauteilen. Das ist beispielsweise für Erdbeobachtungs- oder Telekommunikationsmissionen sehr wichtig, um eine maximale Nutzlastfunktionalität zu ermöglichen.

Eigentlich war es nicht geplant, ein Bauelement des Fraunhofer IAF mitzunehmen. Wie kam es trotzdem dazu?

Ein wichtiges Ziel der »GREAT2«-Initiative war es, herauszufinden, ob GaN-Bauteile im Weltraum überhaupt zuverlässig betrieben werden können. Dafür mussten umfangreiche Robustheitstests unter Weltraumbedingungen durchgeführt werden. Eines der Testgeräte war ein X-Band-MMIC (monolithisch integrierte Mikrowellenschaltung), das mit dem GaN25-Verfahren des Fraunhofer IAF hergestellt wurde und eine große Menge an zuverlässigen Daten geliefert hat. Dieser umfangreiche Datensatz gab uns das Vertrauen, den MMICChip als Teil des Kommunikationssystems von Proba-V zu nutzen.

Andrew Barnes from ESA
© Andrew Barnes
Andrew Barnes, Senior technology engineer bei der ESA
Der Mini-Satellit Proba-V im Weltall über Erde
© ESA | P. Carril
2013 flog im Mini-Satelliten Proba-V erstmals ein europäisches Mikrowellenbauteil auf Galliumnitrid-Basis ins All: Der am Fraunhofer IAF entwickelte Verstärker bewies, dass sich das Halbleitermaterial für den Einsatz im Weltraum eignet. Seitdem hat das Fraunhofer IAF immer wieder Leistungs- oder Hochfrequenzverstärker für den Einsatz in Satelliten für die Europäische Weltraumorganisation (ESA) realisiert.

Welche Schwierigkeiten gab es zu bewältigen, bis Proba-V mit GaN an Bord starten konnte?

Eine Schwierigkeit bestand darin, das Projektteam davon zu überzeugen, dass der erstmalige Einsatz der GaNTechnologie nicht die gesamte Mission gefährden würde, sollte diese ausfallen. Der GaN-Sender wurde schließlich als zusätzlicher dritter Sender integriert, der im Falle eines Senderausfalls als Backup diente. Als der Proba-V-Satellit 2013 in die Umlaufbahn gebracht wurde, war es das erste Mal, dass die ESA eine europäische GaN-Technologie in einer funktionsfähigen Mission eingesetzt hat, und es war möglicherweise sogar die weltweit erste Demonstration eines X-Band-MMIC im Weltraum.

Hat die Proba-V-Mission zu neuen Erkenntnissen über GaN geführt?

Es stellte sich heraus, dass der GaN-Sender die GaAs-Technologie, die für den Basissender verwendet wurde, übertraf: Er war kompakter, bot einen besseren Wirkungsgrad und die Möglichkeit, die Ausgangsleistung während eines Bodenstationsdurchgangs leicht anzupassen, um das Link-Budget zu optimieren und die Satellitenressourcen zu maximieren. Der GaN-Sender und die X-Band-Schaltung funktionieren seit dem Start problemlos und mit gleicher Betriebsleistung. Dies war ein großer Erfolg und hat gezeigt, dass GaN-basierte Technologie im Weltraum mit hoher Zuverlässigkeit und ausgezeichneter Leistung betrieben werden kann.

Warum sind Sie persönlich davon überzeugt, dass GaN ins All gehört?

GaN bietet völlig neue Möglichkeiten für den Einsatz im Weltraum. Die Technologie ist hier, um zu bleiben.

Weltkarte erstellt aus den Daten von Proba-V
© ESA | produced by VITO
Weltkarte erstellt aus den Daten von Proba-V
 

Jahresbericht: »Collaborations«

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